Erinnern Sie sich noch?

DER WÜSTENSTURM

DER KRIEG UM KUWAIT

Von Thorsten Oberbossel

August 1990 - Februar 1991

Wir schreiben den August 1990. In Deutschland freut man sich auf die Wiedervereinigung. Viele Menschen in der westlichen Welt freuen sich mit den Deutschen, wenngleich auch noch Skeptiker fragen, ob ein solches größeres Deutschland nicht schon wieder zu mächtig und vielleicht zu ehrgeizig sei. Doch nicht von Deutschland aus ziehen die Wolken eines Krieges herauf, sondern am persischen Golf.

Im August 1990 überfallen Truppen des Staates Irak auf Befehl seines Machthabers Saddam Hussein das kleine aber durch reiche Erdölvorkommen äußerst wohlhabende Land Kuwait und besetzen es. Der irakische Machthaber Saddam Hussein erklärt Kuwait danach zur 19. Provinz seines Staates. Die Welt ist erschüttert über diesen skrupellosen Handstreich, mit dem sich die politische Führung im Irak die kuwaitischen Erdölvorkommen aneignet.

Saddam Hussein und seine politischen Weggefährten galten nach der chiitischen Revolution im Nachbarland Iran als Bollwerk gegen die Ausbreitung der Idee eines fundamentalislamistischen Gottesstaates. Es kam damals bereits zu einem Golfkrieg zwischen Iran und Irak, wobei sich die Hauptgegner des sogenannten kalten Krieges dadurch hervortaten, daß sie der ihnen sympathischen Seite mit Waffen aushalfen. Die irakische Führung erhielt im wesentlichen Unterstützung aus dem Westen, unter anderem auch Mittel zur Herstellung chemischer Kampfstoffe. Nun aber ist der einstige Verbündete im Kampf gegen die islamische Weltrevolution im Sinne Khomenis zum Gegner der von den Ölvorräten abhängigen Welt geworden, in Ost und West. Denn nun halten Truppen des Iraks Kuwait besetzt, mit den Waffen, die damals geliefert oder nach Beratung durch Industrieländer selbst gebaut wurden.

Saddam Husseins militärische Inbesitznahme Kuwaits wird vom Weltsicherheitsrat der UNO scharf verurteilt. Die irakischen Truppen werden angewiesen, kuwaitisches Staatsgebiet wieder zu räumen. Die Anweisung wird ignoriert. So beschließen zunächst die westlichen Mitgliedsstaaten der UNO, Truppen in die Region am persischen Golf zu verlegen. Diplomatische Bemühungen, Saddam Husseins Partei zur Umkehr zu bewegen bleiben fruchtlos. So entschließt sich der Weltsicherheitsrat der UNO dazu, daß Kuwait auch mit militärischer Gewalt befreit werden soll. Die Zustimmung Rußlands und die Stimmenthaltung Chinas im Weltsicherheitsrat, sowie die Angst vieler arabischer Länder vor einem übermächtig zu werden drohenden Irak führen zu einer seit dem zweiten Weltkrieg nicht mehr dagewesenen Allianz vieler Staaten in der westlichen und arabischen Welt gegen den Irak. Truppen und Kriegsschiffe marschieren am persichen Golf auf. In jenen Nachbarstaaten des Irak, die sich der Allianz angeschlossen haben, werden unter der Federführung der USA und Großbritanniens Truppen in Stellung gebracht. Saddam Hussein reagiert damit, daß er Staatsbürger aus den Ländern, die sich militärisch oder politisch beteiligen, an strategisch wichtigen Punkten versammelt, um sie als lebende Schutzschilde zu mißbrauchen, falls es tatsächlich zu einem Militäreinsatz kommt. Die Lage ist angespannt. Die Zeichen stehen auf Krieg!

Es war eine Woche der Diskussionen und begrabenen Hoffnungen, die ich miterlebt habe, als die Lage am Golf immer gespannter wurde. Wir diskutierten im Gemeinschaftskundeunterricht über den Sinn und Unsinn eines Krieges am Golf. Die meisten von uns, ich eingeschlossen, wollten keinen Krieg, der unserer Auffassung nach nur um die kuwaitischen Ölvorräte ging. Wir verfolgten die Nachrichten, in denen berichtet wurde, wie weit die Vorberreitungen auf den militärischen Einsatz gediehen waren. Über 100.000 Soldaten waren aufgestellt worden, um Saddams Truppen zu zwingen, Kuwait zu räumen. In den Nachrichten wurde auch berichtet, daß Saddam damit drohte, alle kuwaitischen Ölquellen in Brand stecken zu lassen, falls Kuwait nicht von seinen Truppen gehalten werden könnte. An über 600 Ölförderungsanlagen seien bereits Brandladungen angebracht worden. Wir diskutierten auch über die ökologischen Folgen, die eine solche Wahnsinnstat mit sich bringen würde, ob wir mit einer weltweiten Beeinträchtigung der Umwelt rechnen müßten oder ob sich die Ruswolken eines derartig austobenden Brandes mehr auf die unmittelbare Umgebung beschränkten.

Am 15. Januar 1991 hörte ich nochmal das Ultimatum der Anti-Saddam-Allianz. Sollten seine Truppen bis zum 17. Januar 1991 nicht aus Kuwait verschwunden sein, würde gemäß der UNO-Resolutionen militärisch eingegriffen. In den Fernsehnachrichten wurden auch die Waffensysteme vorgestellt, mit denen die Allianz gegen den Irak vorgehen wolle. Es sollten sogenannte Smart Weapons, schlaue Bomben, eingesetzt werden, die durch Laser- und Videounterstützung geleitete Computersysteme genau in Bunkeranlagen hineinfliegen oder exakt auf strategisch wichtige Gebäude gelenkt werden konnten. Es wurde auch berichtet, daß wir alle niemals Bilder von getöteten Soldaten oder Zivilpersonen zu sehen kriegen würden, da die USA keine Protestbewegung wie im Vietnamkrieg heraufbeschwören wollten. Am Dienstag, dem 15. Januar brachte das Fernsehmagazin Monitor Berichte über die Kriegsvorbereitungen, über Giftgasopfer auf iranischer Seite im Golfkrieg der 80er Jahre und INterviews mit amerikanischen Soldaten, die nicht am Krieg teilnehmen wollten und daher desertierten und nun von der Militärpolizei gejagt wurden. Eine Familie, die solch einen US-Soldaten eine Zeit lang beherbergte, sprach sich darüber aus, daß sie den anstehenden Krieg ablehnte. Einer meiner Wohngruppenmitbewohner fragte, ob das nicht gefährlich sei, diese Familie zu zeigen, wenn der Soldat noch bei ihr untergeschlüpft wäre. Ich sagte dazu nur, daß der Redakteur Klaus Betnartz bestimmt nicht so naiv sei, den US-Soldaten derartig in Gefahr zu bringen. Und prompt sagte der Redakteur und Moderator der Sendung nach dem Beitrag:

"Dieses Interview haben wir geführt, als der Soldat bereits den Unterschlupf gewechselt hatte. Ein Besuch der amerikanischen Militärpolizei bei der Familie ... lohnt sich daher nicht."

Am Mittwochabend, am 16. Januar 1991, saß ich mit einem Mitbewohner meiner Internatswohngruppe in meinem Zimmer, daß außerhalb der eigentlichen Wohnräume lag und hörte Radio. Zwischen 23.00 und 00.00 Uhr hatte ich Musikcasetten aufgelegt. Vor allem hörte ich den Titel "Too long a Soldier" in der Interpretation von Pat Benatar, in dem es um den Unsinn von Kriegen geht und daß doch wir alle ein Volk sind, auch wenn wir als Nationen getrennt leben. Die Stimmung war angespannt und betrübt. Würden die alliierten Streitkräfte ihre Drohung wahrmachen und den Irak angreifen? Kurz nach 00.00 Uhr kamen die ersten Nachrichten. In Bagdad, der Hauptstadt des Iraks, wären die Alarmsirenen losgegangen und die ersten Flugabwehrraketen seien aufgestiegen. Kurz darauf kamen schon Meldungen von möglichen Bombenangriffen mit ersten Treffern. Trotz der traurigen Gewißheit, daß nun doch die Waffen sprachen, schmunzelten mein Mitbewohner und ich darüber, daß wir von nun an wohl nur Meldungen im Konjunktiv hören würden. Denn die Zensur der Militärs würde keine Tatsachen an die Öffentlichkeit lassen, die der Kriegsführung abträglich waren. Ich dachte an die Drohungen Saddams, Ölfelder in Brand stecken zu lassen. Ich dachte auch an die Chemiewaffen, die die irakischen Truppen wohl noch besaßen. Womöglich besaßen sie auch biologische Kampfmittel. Ich dachte an die Bedrohung aller Flugzeuge, die in Ländern beheimatet waren, deren Militärs aktiv und deren Regierungen in Solidarität am Krieg am Golf teilnahmen, der nun unter dem Begriff "Operation Wüstensturm" ablief. Die Strategie der alliierten lief darauf hinaus, aus der Luft wichtige Basen und Versorgungseinrichtungen im Irak zu zerstören, bevor eine groß angelegte Bodenoffensive nach Kuwait und den Irak hineinführen sollte. Doch wielange diese Operation gehen würde, wußten wir alle nicht. Ich ging sogar von mehreren Monaten oder gar einem Jahr aus, da die angeheizte Solidarität des irakischen Volkes zu seiner Führung erschreckend war. Ob das jetzt nur Propaganda von beiden Seiten war, will ich nicht ausschließen. Ich dachte nur an den Fanatismus, mit dem iranische Truppen im Namen ihres geistlichen Führers gekämpft hatten.

Um 00.45 Uhr herum riefen wir eine Bekannte meines Mitbewohners in den USA an und erkundigten uns, wie dort die Berichterstattung betrieben würde. Gleichzeitig trafen Meldungen ein, daß bereits erste Raketen vom Irak in Richtung Israel abgefeuert worden sein sollten, aber auch daß alliierte Luftangriffe die ersten Raketenbasen vernichtet haben sollten, von denen aus Angriffe auf Israel geführt werden konnten. Denn Saddam versuchte, Israel, das sich neutral erklärt hatte, um die Allianz mit den arabischen Staaten nicht zu gefährden, in den Krieg hineinzuziehen, ohne Rücksicht auf Verluste.

Ich schüttete erst einmal eine Kanne Kaffee auf, um uns für die Nacht wachhalten zu können. Wir hatten ja immer noch die Hoffnung darauf, daß sich dieser Angriff nicht lange hinziehen könnte. So blieben wir bis zum Morgen am Radio und hörten eine Schreckensmeldung nach der nächsten Erfolgsmeldung. Trotz der durchgemachten Nacht entschied ich mich, mich nicht vom Unterricht abzumelden und ging übermüdet, aber immer noch Aufnahmefähig zur Schule, wo wir in der ersten Stunde Gemeinschaftskunde hatten. Dieser Donnerstag, der 17. Januar 1991, blieb mir deswegen so gut in Erinnerung, weil ich eben mit dieser langen Nacht zu kämpfen hatte. Wir sprachen über die ersten Meldungen, die bestimmt nicht reine Tatsachen enthielten.

Am Nachmittag kamen Meldungen von ersten Maschinen, die auf alliierter Seite vermißt würden und davon, daß irakische Flugzeuge im Iran "notgelandet" waren, wo sie nicht von Bomben der Wüstensturm-Koalition getroffen werden konnten. Es schien alles auf einen sehr langen Krieg hinauszulaufen. Und die bange Frage war, ob und wenn ja wann die irakischen Truppen chemische Waffen gegen Israel einsetzen würden?

Ich ging an diesem Abend früh ins Bett, um den langen Tag zu verdauen.

Am Freitag morgen Nahm unsere Schule an einer Protestdemonstration gegen den Krieg teil. Mit Parolen wie "Kein Blut für Öl!" oder Deutsche Waffen, deutsches Geld morden mit in aller Welt!" zogen wir durch die Marburger Innenstadt. In den Kundgebungen riefen die Redner und Rednerinnen zur Ablehnung dieses von der UNO geförderten Feldzuges zur Rückgewinnung wichtiger Ölvorkommen auf. Uns allen war klar, daß dieser Krieg viele Tote auf beiden Seiten fordern würde, auch wenn die Nachrichtensender vor Ort gezwungen wurden, nur beschönigende Bilder erfolgreicher Angriffe zu zeigen.

In den nächsten Wochen erfolgten weitere Angriffe des Iraks auf Israel. Die sSkut-Raketen, Produkte aus der Sowjetunion, trafen Städte in Israel. Und jeder Einschlag wurde zur bangen Frage: "War da Giftgas im Sprengkopf?" Aus Solidarität mit den Israelis und den am Krieg beteiligten Soldaten der Allianz verzichteten alle Länder darauf, den Karneval zu feiern. "Man kann ja nicht jubeln und lachen, wenn anderswo gekämpft wird", lautete es ungefähr. Ich fragte mich damals schon, was diese Geste bedeuten sollte. Denn Kriege gab es ja immer auf der Erde, und Helau und Alaaf wurde trotzdem gerufen, wenn das Datum es vorsah.

Ich hörte von einer geplanten Großdemonstration in Bonn, die am 26. Januar stattfinden sollte. Ich beschloß, mit einigen Schulkameraden daran teilzunehmen. Dies war das erstemal, daß ich an einer wirklich großen Protestkundgebung teilzunehmen beabsichtigte.

So trafen wir, die wir an der Protestdemonstration teilnehmen wollten, uns am Samstag dem 26. Januar. Wir hatten uns Sonderzugkarten der Bundesbahn gekauft und warteten darauf, daß wir in den Zug einsteigen konnten. Es war ein kalter Wintermorgen, ohne Niederschlag, aber richtig kalt. Wir waren soviele am Bahnhof, daß der Sonderzug schnell rappelvoll war. So kam es, daß ich mit einigen anderen Schulkameraden auf Sonderbusse der Bahn verteilt wurde, die non-stop nach Bonn durchfuhren. Um ungefähr 08.00 Uhr, kann auch etwas später gewesen sein, ging es dann los in die Bundeshauptstadt. Drei Stunden später kamen wir zwar dort an, mußten aber dann noch einen langen Fußmarsch zum Kundgebungsplatz zurücklegen. Mit Gesängen wie "give peace a chance" und den Parolen gegen den Golfkrieg, begleitet von Schwingschlauchgeheul, ging es durch die bonner Innenstadt. Niemand zeigte sich auf den Straßen. Offenbar hielten es die Bürger der Bundeshauptstadt für unnötig, sich in eine Friedensdemonstration einzureihen oder sie zur Kenntnis zu nehmen. So kam es, daß wir zwar um 14.00 Uhr herum dort eintrafen, wo die Kundgebungen stattfanden, doch einige der Reden konnten wir nicht mehr mitverfolgen. Ich hörte die Ansprache eines Mannes kurdischer Abstammung, der sich um Solidarität mit seinem auch im Irak unterdrückten Volk bemühte. Vertreter von Umweltgruppen warnten vor einem Brand der kuwaitischen Ölfelder, wiesen aber auch darauf hin, daß unsere Energiepolitik überdacht werden müsse und es nicht so weiter gehen könne, daß wir immer mehr fossile Brennstoffe aufbrauchen könnten, ohne daß sich dies nachteilig auf unsere Umwelt auswirke.

Da unsere Busse bereits um 16.00 Uhr zurückfahren sollten, konnte ich den Live-Auftritt von Herbert Grönemeier nicht bis zum Ende mitverfolgen, was ich bedauere. Doch das Lied "Hartgeld" prägte sich mir ein. "... Was kostet der Rest der Welt? Es lebe die deutsche Mark!" lauteten die zynischen Textzeilen im Refrain dieses Liedes.

Wir erreichten unseren Sonderbus und kehrten nach Marburg zurück. Dort bekam ich aus der Ferne noch mit, wie einige junge Leute "Probt die internationale Solidarität" skandierten. Offenbar waren es Leute, die meinten, das es vollkommen gerechtfertigt war, diesen Krieg zu führen.

In der nächsten Woche wurde ein Projekttag an unserer Schule vorbereitet, der sich mit den verschiedenen Aspekten des Golfkrieges befaßte: So planten wir vom damaligen Leistungskurs Gemeinschaftskunde eine Erläuterung des Nahostkonfliktes, der zu dieser Zeit ja auch unser Unterrichtsthema darstellte. Wir legten fest, wieviel in einer Stunde rübergebracht werden konnte. Dazu nahmen wir Landkarten der Region, eine kurze Beschreibung der Entwicklung in Form einer Radiodokumentation und schafften es, Zeit für eine Diskussionsrunde herauszuholen. Dieses Konzept sollte nun jede Stunde wiederholt werden, drei Stunden lang, in unterschiedlicher Besetzung, so daß wir alle die Gelegenheit bekamen, auch an den anderen Veranstaltungen teilzunehmen. Da ich mit meinem Projekt-Teamkollegen erst in der dritten Stunde dran war, besuchte ich in den ersten beiden Stunden die Vorträge und Diskussionen zu den Themen Krieg und Umwelt, in dem es um Umweltschäden als Folge eines Krieges ging und die Gastvorlesung eines marburger Physikprofessors, der sich mit atomaren Altlasten auch aus Kernwaffenbeständen beschäftigte. Kurz vor Beginn der dritten Stunde, also der Zeit, in der mein Teamkamerad und ich die Erläuterung des Nahostkonfliktes vornehmen sollten, erfuhren wir, daß es während der zweiten Stunde zu einer unangenehmen Meinungsverschiedenheit zwischen unseren Kameraden aus der zweiten Stunde, Teilnehmern der Stunde und einem Gemeinschaftskundelehrer, der drastisch proisraelisch eingestellt ist, gekommen war und wir damit zu rechnen hätten, daß dieser Lehrer uns auch in der dritten Stunde beehren wolle, obwohl unser Vortrag rein sachlich und neutral ablaufen würde. So führten wir die dritte Stunde zu dritt anstatt zu zweit durch, da ein Kurskamerad, der eben jene zweite Stunde mitbestritten und den Zwischenfall mitbekommen hatte bei uns blieb, um eine eventuelle Beeinträchtigung der dritten Stunde zu vermeiden. Doch sie lief so ab, wie wir es geplant hatten, was mir persönlich serh behagte, weil die Diskussion in vernünftigen Bahnen verlief und viel Zeit blieb, Fragen zu beantworten, die die Besucher dieser Projektstunde stellten.

Die letzten zwei Wochen der Operation "Wüstensturm" waren geprägt von unter Vorbehalt zu genießenden Meldungen über die Bodenoffensive der alliierten Truppen, bei der es so gut wie keinen Widerstand seitens der irakischen Truppen gegeben haben sollte. Es wurde von leicht zu machenden Gefangenen und wenigen Panzerverbänden geredet und das erfolgreiche Vorrücken der Truppen aus dem Westen beschrieben, wieder ohne Worte und Bilder von Toten oder Verwundeten. Um den 26. Februar herum muß es gewesen sein, daß die Hauptstadt von Kuwait von alliierten Truppen eingenommen wurde. Im Irak selber gab es noch Gefechte zwischen Panzerverbänden sogenannter Elitetruppen des Saddam-Hussein-Regimes und den Streitkräften der UNO-Koalition. Dann, am 28. Februar, um 03.00 Uhr, verkündete der damals amtierende US-Präsident George Bush, daß alle Kampfhandlungen eingestellt worden seien und es einen Waffenstillstand gebe, der solange gültig sei, solange das irakische Militär keine weiteren Raketen auf Israel oder andere Staaten abfeuern würde. Damit war der militärische Teil der Operation vorbei. Von nun an sollten wieder die Diplomaten zum Zuge kommen. Ich blieb diese Nacht auch auf, diesmal allein, um alles mitzuverfolgen, was sich nun anbahnen würde. Dabei fragte ich mich, wofür das ganze jetzt eigentlich gemacht worden sei. Die Regierung des Saddam Hussein war nicht entmachtet worden, es gab viele Tote und Verletzte auch unter der Zivilbevölkerung, und in Kuwait brannten tatsächlich 600 Ölfelder, gemäß dem Prinzip der verbrannten Erde und drohten, die Atmosphäre zu verpesten, womöglich weltweit. Präsident Bush sprach zwar von einer neuen Weltordnung und der Chance, nun auch im gesamten nahen Osten Frieden zu schaffen, ohne Militär, doch das waren erst einmal die Worte eines siegestrunkenen Regierungschefs, der davon überzeugt war, nun alles durchsetzen zu können.

Zehn Jahre ist das nun alles her. Zehn Jahre, in denen doch so einiges ans Licht kam, was die Militärs doch gerne unter der Decke gehalten hätten. So wurde erst später von erkrankten Soldaten berichtet, die entweder durch den Beschuß von Giftlagern oder den Einsatz solcher Waffen geschädigt wurden. Die sogenannten schlauen Bomben hatten nicht immer das getroffen, was sie treffen sollten. Viele Flugzeuge der irakischen Luftwaffe konnten sich in den Iran retten. Der alte Feind war zum Beschützer geworden. Saddam Hussein hat durch den Krieg nicht an Einfluß bei seinem Volk verloren, sondern gewonnen, und Strategen der CIA rieten davon ab, ihn und seine Regierungsmannschaft gewaltsam zu entmachten, da er ja trotz allem ja immer noch ein Garant für die Einschränkung der chiitischen Revolution und angeblich ein kontrollierbarer Faktor sei. George Bush konnte den Sieg am Golf nicht als Punktgewinn für die nächste Präsidentenwahl verbuchen. Der Mann, der nun US-Präsident wird, der Sohn jenes geschichtsträchtigen George Bush, wird auch mit dem Erbe des Golfkrieges umgehen müssen. Ich hoffe nur, daß sich die Ereignisse von 1991 nicht wiederholen.

© 15.01.2001 by Thorsten Oberbossel


Anmerkung: Es waren schon verrückte Tage damals, als wir uns in einem Gewissenskonflikt wiederfanden. Einerseits verurteilten wir intellektuellen Linken genauso den Einmarsch in Kuwait, wie es die übrige Bevölkerung und die Politik tat. Andererseits verurteilten wir aber auch, daß sich die westliche Allianz nur für die Belange des Geldes und der ölindustrie einsetzte, und das mit Hightech-Waffen, die uns einen "sauberen Krieg" vorzumachen versuchten. Doch gleichzeitig wußten wir genau, daß wir es gewesen wären, die den Preis hätten bezahlen müssen, wenn man Saddam einfach hätte gewähren lassen, den Preis in erheblich höheren ölpreisen nämlich. Insofern konnte zumindest nur ich beide Seiten verurteilen, ohne eine bessere Lösung als die anbieten zu können, daß die internationale Gemeinschaft dem verbrecherischen Tun des Irak energisch Einhalt gebot, wie sie es seinerzeit auch mit Hitler getan hatte. - Es waren schon verrückte Tage damals. - Jens Bertrams.


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