Die "Rheinische Landesschule für Blinde" in Düren ist in einem Park am Nordrand der Stadt untergebracht, dem Landeskrankenhaus angeschlossen. Umschlossen von einer hohen Mauer mit einem aufgesetzten Gitterzaun bietet sie den Schülern ein Höchstmaß an Sicherheit - weshalb die Anstalt bei uns auch KGD (Kreisgefängnis Düren) genannt wurde -, und den Lehrkräften und dem Erziehungspersonal ein Mindestmaß an Arbeit.

Wir lebten in kleinen Bungalows, es gab acht, die je mit 12 bis 16 Schülerinnen und Schülern bestückt waren. In Drei- oder Vierbettzimmern, streng nach Geschlecht getrennt, verbrachten wir unsere bis ins Kleinste durchorganisierten Tage. Die Fenster der Zimmer waren nicht zu öffnen, was bei einem Brand in unserer Wohngruppe einmal beinahe katastrophale Folgen gehabt hätte. Dabei waren die Fenster innen genauso hoch wie außen, die Fensterbank reichte bis zum Bauch oder - wenn man besonders klein war - bis zur Brust. In den Räumen gab es nichts Persöliches, sie waren sowieso nur zum Schlafen gedacht. Es gab zwar einige Freizeitangebote, aber das Erziehungspersonal wachte nicht nur darüber, wer diese wann nutzte, sondern auch über alle anderen Verrichtungen des täglichen Lebens. Wieviel durfte man trinken, wen durfte man wann anrufen und ähnliche Kleinigkeiten. Die Kinder wurden systematisch gebrochen und zur Unselbständigkeit erzogen.

Für einige derer, die mit mir die Schulbank drückten, und für ganz wenige, die trotz ihrer Verpflichtung gegenüber dem unmenschlichen System dieser Anstalt die Kreativität ihrer jungen Schützlinge förderten, empfinde ich Hochachtung und Sympathie. Für jene Schülerinnen und Schüler, die gegen ihre Kameraden kämpften, um ihren Mangel an Entfaltungsmöglichkeiten durch Aggression auszugleichen, empfinde ich Mitleid. Verachtung bleibt für den Rest, eine Maschinerie, die Kinder bricht, um mit ihnen effektiv arbeiten zu können. Selbstbewußtsein, Kreativität und Phantasie waren nicht gefragt, führten bei den Angepaßten zu Ablehnung und Spott und zu disziplinarischen Maßnahmen seitens der Erzieher. Man war schließlich behindert, und man durfte längst nicht alles, was die Normalen durften.

Irgendwann in der Zukunft werde ich an dieser Stelle für alle Interessenten meine Erinnerungen an Düren ausstellen, die ich gerade schreibe.


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