Big Brother Tumult in Deutschland
von unserem Korrespondenten Hans Verbeek
Berlin, 1. März 2000
Big Brother geht nach Deutschland
Im deutschen Fernsehen beginnt am Mittwochabend "Big Brother". Der Start
der umstrittenen niederländischen TV-Serie, die von der Firma Endemol
produziert wird, hat in den vergangenen Wochen für großen Tumult
gesorgt. Politik, Kirchen und Kommunikationswissenschaftler liefen Sturm
gegen das Programm, in dem sich 10 Menschen 100 Tage lang unter den
Augen der Kamera einsperren lassen. Es wurde sogar schon mit einem
Verbot gedroht.
Es war nicht etwa die Angst von Endemol und dem kleinen kommerziellen TV-Sender
RTL 2, daß es Streit um "Big Brother" geben würde, im Gegenteil. Man
fürchtete vielmehr, daß der Beginn der Psycho-Show praktisch unbemerkt
ablaufen würde. Diese Sorge ist allerdings unbegründet. Wenn die erste
Folge nun gesendet wird, können sich die Macher eines großen
Zuschauerinteresses sicher sein. Die sind nämlich neugierig geworden
angesichts der heftigen Diskussionen, die nun schon seit Wochen in den
deutschen Medien geführt werden.
Menschenunwürdig?
Unter den Zuschauern befinden sich auch Mitarbeiter der verantwortlichen
Medienanstalten, die die Aufsicht über die Programme der komerziellen
Fernsehsender führen. Sorgfältig sollen sie prüfen, ob man bei "Big
Brother" von menschenunwürdigen Zuständen sprechen kann. Sollte dies der
Fall sein, droht dem Sender eine Geldbuße oder sogar das Verbot der
Show. Die landesweite Diskussion wurde durch den Ministerpräsidenten des
Bundeslandes Rheinland-Pfalz, Kurt Beck von der SPD, angefacht.
Nach Meinung von Beck, der auch Vorsitzender des Landesrundfunkrates
ist, verletzt "Big Brother" die Würde des Menschen. Die Tatsache, daß
die 10 Kandidaten sich freiwillig zur Verfügung stellen, ändert daran
nichts, so Beck. ... Ein Verbot im Vorhinein verstößt allerdings gegen
das Recht der freien Meinungsäußerung, und darum wird mit einem
eventuellen Eingreifen auf jeden
Fall bis nach der ersten Sendung gewartet.
Extremer als in Holland
In Deutschland verläuft "Big Brother" nach demselben Konzept wie
hierzulande. 10 Menschen lassen sich für 100 Tage in einem Wohncontainer
einsperren. Alles, was sie tun, kann täglich im Fernsehen oder übers
Internet beobachtet werden, und die Zuschauer bestimmen (in regelmäßigen
Abständen), wer die WG
verlassen muß. Der Gewinner geht am Ende mit 250000 Mark nach Hause.
Aber wie beinahe alles in diesem
Land, so wird auch die deutsche Version von "Big Brother" extremer sein
als das niederländische Original. Die 10 Kandidaten haben nur eine Stunde
am Tag warmes Wasser, müssen selbst Holz hacken und Gemüse anbauen, und
sie erhalten jeden Tag eine Aufgabe, die sie ausführen müssen. Auch für
ausreichend Konfliktstoff ist gesorgt, um zu verhindern, daß es genau so
eine lasche Sache wird wie die niederländische Version. Aus den beinahe
20000 Anmeldungen wurden darum solche Kandidaten ausgewählt, von denen
man erwartet, daß sie nicht gut miteinander auskommen werden. Das
scheint offenbar schön zu sein. So trifft ein einziger "Ossie" in der
Gesellschaft auf neun "Wessies", und Kettenraucher werden mit militanten
Nichtrauchern konfrontiert.
Sex
Doch auch einige sexuelle Spannungen werden in Aussicht gestellt. So
läßt der 27jährige Alexander bereits wissen, daß er Kondome mitnehmen
wird, denn "ich habe keine Probleme mit Sex vor der Kamera", sagt er
entschlossen. Und Jana, 26 Jahre, bringt ihr Lieblings-Sex-Spielzeug
mit, chinesische Liebeskugeln. Inzwischen schläft auch die Konkurrenz
nicht. Der noch kleinere Privatsender TM3 begann zwei Tage vor dem Start
von "Big Brother" mit einer ähnlich voyeuristischen Sendung, "Geld für
dein Leben", die übrigens ebenfalls von Endemol produziert wird. ...
Religion
Die Kirchen in Deutschland vertrauen wider besseres Wissen auf den
Gesunden Menschenverstand der Deutschen und haben zu einem freiwilligen
Zuschauerverzicht aufgerufen. Mit Genugtuung stellen die Kirchen fest,
daß die Nachfolgesendung von Big Brother, "Der Bus", die in Holland auf
SBS 6 läuft, kaum noch Beachtung findet, nun, da es keine Neuheit mehr
ist. "Ich habe gehört, daß die neue Show kaum noch 350000 Zuschauer
sehen wollen", sagte eine Sprecherin und fügte hinzu: "In unsere Gottesdienste gehen
dreimal so viele Menschen."
© 2000, Radio Nederland Wereltomröp
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