Helmut Kohl und der neue Parteispendenskandal

29. Dezember 1999

Heute wurden von der Staatsanwaltschaft Bonn Ermittlungen gegen Altbundeskanzler Kohl wegen des - wie es so schoen heisst - "Anfangsverdachts der Untreue" eingeleitet. Kohl hatte selbst zugegeben, zwischen anderthalb und zwei Millionen Mark an der Buchfuehrung vorbei auf schwarze Parteikonten der CDU versetzt zu haben. Die ganze Republik scheint in Aufruhr zu sein, Sondersendungen der ARD berichteten heute ueber die Eroeffnung des Verfahrens. Natuerlich und zurecht wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass das Einleiten eines Ermittlungsverfahrens keine Vorverurteilung darstellt, ja nicht einmal bedeutet, dass tatsaechlich ein Gerichtsverfahren eroeffnet werden wird. Fuer mich klingt das alles aber schon so, als wolle man vorbauen fuer den Tag, an dem die Staatsanwaltschaft das Verfahren einstellt. Das wird vermutlich dann der Fall sein, wenn sich die Medien um diesen Fall, der jetzt so quotentraechtig ist, nicht mehr kuemmern.

Auch in der Politik scheint man kein Interesse daran zu haben, Helmut Kohl und der CDU mal so richtig die Leviten zu lesen. Aus der Sicht der Politik ist das verstaendlich. Denn zum einen hat mit Sicherheit jede Partei so ihre Leichen im Keller, was ja auch niemand ernsthaft bestreitet, und zum anderen wuerde eine rigorose Aufdeckung der Spendenpraxis der CDU dazu fuehren, dass sie die Spenden zurueckzahlen und auf die doppelte Menge staatlicher Zuschuesse verzichten muesste. Damit, so vermutete ein Experte vor einigen Tagen, wuerde die Partei in ihrer Handlungsfaehigkeit erheblich eingeschraenkt. Und das ist im Sinne unserer funktionierenden Demokratie unerwuenscht.

Darum wird es wohl auch diesesmal wieder seinen gewohnten Gang gehen. Es gibt ein Ermittlungsverfahren, aber das wird nach einer gewissen Zeit eingestellt. Taktisch klug verweigerte die CDU-Spitze jede Aussage vor Journalisten heute. Erst einmal muss Gras ueber die Sache wachsen.

Mit derlei Anschuldigungen gegen Helmut Kohl hat die Nation uebrigens schon Erfahrung. Im Jahre 1985 wurde er wegen der Flick-Affaere in verschiedenen Untersuchungsausschuessen vernommen. Und obwohl klar war, dass er illegal Spenden angenommen hatte, wurde das Verfahren bald eingestellt. Warum auch nicht, so hoerte man heute aus Unionskreisen, Helmut Kohl habe schliesslich viel fuer unser Vaterland getan.

Fuer mich zeugt dies von einem hoechst fragwuerdigen Rechtsverstaendnis. Kohl, der heute die Einleitung des Ermittlungsverfahrens schriftlich bedauerte, taete besser daran, all seine Geheimnisse offenzulegen. Doch so wie die Dinge liegen, braucht er sich um seine persoenliche Zukunft keine grossen Sorgen zu machen. Der Unmut wird verblassen, bleiben wird der Mann, der Deutschland geeint hat.

© 1999, Jens Bertrams

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