Jetzt reicht's!

vom CDU-Skandal ist genug geredet worden

28. März 2000

Vier Monate und sechzehn Tage lang gab es kaum ein anderes Thema in den Medien, als diese unwahrscheinliche, riesenhafte Kloake, aus der ständig neue Gerüch(t)e aufstiegen. Der größte Skandal der Republik wuchs von Tag zu Tag, und nur selten sagte mal jemand in einer Zeitung, daß er schon bald den Bürgerinnen und Bürgern zum Halse heraushängen würde. Und genau das tut er jetzt. Keiner will es mehr hören, die CDU hat nun lange genug gebüßt, jetzt müsse man zur Sachpolitik zurückkehren, wird allenthalben gesagt. Und genau das ist es, worauf die CDU-Führung seit Ewigkeiten spekuliert. Angela die Neue - Ausnahmeperson in jeder Beziehung - wird zur größten Reform aller Zeiten hochstilisiert, und hinter ihr sammelt sich die neue Mannschaft der CDU zum Großangriff auf ihre verlorengegangenen Machtstellungen. Mit der Wahl in Schleswig-Holstein fing es an, und jeder vernünftig denkende Mensch weiß es. Zwar gab es hier und da kritische Stimmen zur Spendenaffäre, aber es gab auch viele, die gerade jetzt die CDU wählten, um der großen Volkspartei den Rücken zu stärken. Und vielleicht ist das auch gar nicht falsch: Keiner bestreitet, daß wir die integrierende Kraft rechts von der Mitte brauchen, um die Ultrarechten aus demokratischen Parlamenten herauszuhalten. Aber soll nun wirklich einfach alles unter den Teppich gekehrt werden?

Meiner Ansicht nach war das ganze gut kalkuliert. Helmut Kohl betätigte sich als erfolgreicher Jäger und Sammler. Der Altkanzler, dem man schon zu Lebzeiten ein Denkmal errichten wollte, sammelte Spenden für seine Partei, die wegen seiner Spendensammelei in Schwierigkeiten geraten war. Wenn das nicht Kabarettreif ist! Und mit dem dreifachen Tabubruch der Union, daß nämlich die neue Vorsitzende eine Frau, eine Protestantin und eine Ostdeutsche sein soll, ist es des Büßens dann auch genug. Die Schelte gegen Kohl muß aufhören, über die Sache mit der Geldrückzahlung sollte man schnell das große Schweigen breiten, und Angela soll die Union zum Sieg führen, dann ist alles wieder gut! So stellt man sich das offenbar im Adenauerhaus vor.

Nein, so leid es mir tut, die CDU hat nicht genug gebüßt. In einem Rechtsstaat ist das "Aussitzen" einer Krise mit kosmetischen Reformen keine Lösung. Wer gegen ein Gesetz verstoßen hat, muß die Konsequenzen tragen. Da hilft es wenig, daß Kohl auch Gutes getan hat. Da hilft es noch viel weniger, daß die CDU durch die Rückzahlung und die Strafgelder vielleicht in finanzielle Schwierigkeiten geraten könnte. In Deutschland ist auch die CDU an Recht und Gesetz gebunden.

Die Medien mischen bei der Affäre kräftig mit. Jeden Tag, solange es den Profit und den Marktanteil erhöht, bringt man neue, manchmal an den Haaren herbeigezogene Erkenntnisse. Der Leser, Hörer und Zuschauer wird mit Information, Sensation und Stimmungsmache so überflutet, daß man irgendwann abschaltet und nichts mehr davon wissen will, ja sogar Sympathien für die von den Medien gehetzten Personen und Gruppen gewinnt. Kohl weiß das wie kein anderer, er erholte sich auf diese Weise schon von so manchem Schlag. Doch wenn das auch in diesem Fall so ist, dann bleibt der Sumpf erhalten, in dem immer wieder Gelder verschwinden, um dann auf CDU-Konten wieder aufzutauchen. Wenn der Druck nicht aufrechterhalten wird, dann muß die neue Führung der machtbewußten Union nichts ändern an der Praxis des Systems Kohl. Längst nicht alle Hintergründe sind aufgeklärt. Die Hauptakteure verweigern die Aussage, CDU und FDP verzögern die Arbeit des Untersuchungsausschusses, Kohl stuft sein Ehrenwort noch immer höher ein als die Verfassung. Nichts hat sich wirklich geändert, wenn die CDU einfach gegen den Strafbescheid des Bundestagspräsidenten klagen und ihn damit faktisch kippen kann. Aber wen interessiert das heute noch?

Eine demokratische Gesellschaft ist keine skandallose Gesellschaft, aber sie ist in der Lage, mit Skandalen umzugehen. Politiker sind Menschen, und als solche muß man sie behandeln. Aber das muß mit Hilfe der objektiven Normen des Gesetzes geschehen, und da bleibt im Spendenskandal noch viel zu tun, auch wenn die Bevölkerung bei den nächsten Wahlen die CDU für ihren Führungswechsel belohnen wird, weil die Medien für die Verjüngung der Union Stimmung machen. Die CDU ist im Aufwind, Positionen werden derzeit lieber nicht bestimmt, vielmehr wird das Bild der geläuterten Union propagiert. Das ist in der Regel ein sicheres Mittel.

Was man aus diesem Luftballon lernen sollte, der sich aufblähte und dann zerplatzte und nichts als kosmetische Veränderungen zurückließ, keine Staatserschütterung also, liegt klar auf der Hand. Spenden an Parteien sollten nur noch in geringer Höhe zulässig sein, und alle Spenden, restlos alle, müssen künftig mit Name und Adresse im Rechenschaftsbericht auftauchen. Die Wahlkampfkostenerstattung sollte drastisch eingeschränkt, wenn nicht gar aufgehoben werden, denn dann müßten sich die Parteien bei ihren Wahlkämpfen mal wieder auf das Wesentliche konzentrieren. Und, ganz wichtig, Spenden an Parteien sollten nicht mehr steuerlich absetzbar sein. Erst dann könnte es sein, daß sich am Prinzip der geschmierten Demokratie etwas ändert und wir künftig von solchen Skandalen verschont bleiben.

© 2000, Jens Bertrams

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