Zurück zur Intifada?

War Camp David die letzte Friedenschance?

28. Juli 2000

Nach dem Scheitern der Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern über eine endgültige Friedensregelung im nahen Osten, stehen die Zeichen auf Sturm. Zwar betonen beide Seiten noch ihre Verhandlungsbereitschaft, aber die Szene wird von gegenseitigen Schuldzuweisungen beherrscht. Niemals waren die Chancen für einen umfassenden Frieden in der Palästina-Region so klein und so groß zugleich. Noch ist nicht aller Tage abend, und wenn unter Druck verhandelt wird, und dazu ist noch bis zum 13. September zeit, dann kommen manchmal überraschende Ergebnisse bei solchen Gesprächen heraus.

Vor sieben Jahren hatte unter dem inzwischen ermordeten Premier Rabbin der Friedensprozeß begonnen. Beide Seiten setzten auf Entspannung, jeder erkannte die Existenz des jeweils anderen an, setzte auf Deeskalation. Das hatte die Region auch dringend nötig. Doch nach Rabbins Ermordung kam in Israel eine rechtsgerichtete Regierung an die Macht. Die Schraube der Gewalt begann sich wieder zu drehen. Da kann man fast an ein Wunder glauben, wenn man sieht, daß beide Seiten kurz vor Ablauf der ihnen im Vertrag von Oslo gesetzten Frist für den Abschluß eines Friedensvertrages tatsächlich zusammenkommen, um die noch strittigen Fragen zu verhandeln. Man war sich weit entgegengekommen. Israel wollte sich aus dem gesamten West-Jordan-Land zurückziehen, Palästina, der zu schaffende Staat der PLO, wollte für eine gewisse Zeit die jüdischen Siedlungen unter exterritorialer Herrschaft dulden. Hauptstreitpunkt war wohl Jerusalem. Den Osten der Stadt beansprucht Arafat als Hauptstadt seines Staates, doch Israel will die "heilige Stadt" vollständig behalten und den Palästinensern lediglich freien Zugang zu ihren heiligen Stätten gewähren.

Auf den ersten Blick klingt es unglaublich, daß deswegen ein Friedensprozeß vollständig scheitern kann, aber die politische Realität ist leider nicht vernünftig. Israels Premier Barak darf nicht zu viele Zugeständnisse machen, wenn er überhaupt Frieden will, sonst fallen ihm die eigenen Radikalen im Parlament in den Rücken, und Arafat steht ebenfalls mit dem Rücken zur Wand, denn die Landsleute fordern die Wiederaufnahme der Intifada, des palästinensischen Aufstandes gegen Israel. In dieser Situation war es für beide natürlich unglaublich schwer, Zugeständnisse zu machen.

Auffällig allerdings ist, daß beide Partner weiterverhandeln wollen, bis zum 13. September, dem Tag, an dem Arafat endgültig den palästinensischen Staat proklamieren will. Auf dieses Datum hat er sich eingelassen, und ohne die Kontrolle zu verlieren kann er auch nicht mehr davon abweichen. Das weiß auch die israelische Regierung, und so gibt es doch noch eine gewisse Hoffnung, daß nämlich beide, wie sie andeuteten, sich noch einmal im August an einen Tisch setzen werden, um in letzter Minute das Wiederaufflammen des Krieges mit all seinem Leid zu verhindern.

Der nahe Osten gibt in der Regel selten Grund zu Optimismus, und so sind die meisten Kommentatoren denn auch sicher, daß der Krieg zwischen Israel und den Palästinensern am 13. September wieder aufflammen wird. Doch noch bin ich nicht ohne Hoffnung. Arafat weiß, daß sein Staat nur dann eine Chance hat, wenn er in Übereinstimmung mit Israel und den USA ausgerufen wird, wie der Vertrag von Oslo es als Ziel vorsieht. Er muß versuchen, eine Lösung zu finden, mit der alle zufrieden sind, und einen solchen Ansatz, den einer internationalen Stadt Jerusalem nämlich, hat es auch schon gegeben. Doch für die Radikalen beider Seiten war dieser Vorschlag unannehmbar. Und doch ist es immer noch möglich, daß zum Beispiel die vereinigten Staaten ihr ganzes Gewicht in die Waagschale werfen werden, um die Widersacher zu einem Kompromiß zu zwingen. Ein israelischer Minister sprach vor wenigen Tagen davon, auch endlich über Tabus zu sprechen, nämlich über die Räumung eines Teils von Jerusalem, oder auf eine Einigung, die besagt, daß Jerusalem, oder wenigstens Ost-Jerusalem, von beiden gemeinsam verwaltet werden soll.

Ich glaube, daß es vor dem 13. September mindestens noch eine Verhandlungsrunde geben wird. Ein großer außenpolitischer Erfolg stünde dem scheidenden US-Präsidenten Clinton auch gut, könnte er doch so die Chancen von Vizepräsident Gore erhöhen, bei den Präsidentschaftswahlen im November als sein Nachfolger gewählt zu werden.

Das Ende der Verhandlungen in Camp David war noch nicht das Ende des Friedensprozesses, auch wenn jetzt wieder alles auf des Messers Schneide steht. Und wen in den nächsten sechs Wochen keine umfassende Lösung gefunden wird, dann ist eine Wiederaufnahme der Intifada zu befürchten, und das mit allen brutalen Konsequenzen eines verheerenden Bürgerkrieges.

© 2000, Jens Bertrams


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