Hat ein Verbot wirklich Sinn?

Gegen Rechts darf es keine Schnellschüsse geben

Kurznotiz

24. August 2000

Und wieder einmal scheint in Deutschland die Gewalt von Rechtsextremen zuzunehmen, und wieder einmal scheinen die Politiker machtlos zu sein. Ihnen fällt immer nur ein Mittel ein, das Verbot bestimmter rechtsextremer Parteien. Im Gerangel um ein mögliches Verbot der rechtsgerichteten NPD kann man dann die wirklich dringenden Probleme vergessen: Die mangelhafte Jugendarbeit, die Budgetkürzungen im Jugend-, Freizeit- und Bildungsbereich, die miserable politische Bildung weiter Teile der Bevölkerung, die mangelhafte Demokratieverankerung in den Köpfen der meisten Bundesbürger. Der Staat ist ja da, der kann die NPD verbieten, und - schwups! - plötzlich ist jede rechte Gewalt verschwunden. Das mag in Zeiten von "Gute Zeiten, Schlechte Zeiten" und "Big Brother" einfach scheinen, ist es aber nicht.

Das Problem ist, daß die Politik sich aus Kostengründen weigert, die Grundproblematik zu erkennen und anzupacken. Das Verbot bestimmter Organisationsstrukturen nützt da gar nichts, denn dann baut man sich eben eine andere Struktur auf oder arbeitet im Geheimen weiter. Und allen ist klar, daß ein Parteiverbot nur Wahlkampfhilfe für die Regierung ist. Angehen muß man die oben bereits angesprochenen Probleme, und zwar durch finanzielle und personelle Maßnahmen. Man muß den Jugendlichen das Gefühl geben, und man muß es ihnen auch beweisen, daß es sich lohnt, in dieser Gesellschaft zu Hause zu sein und sich hier wohlfühlen zu können. Ausländerfeindliche Parolen bei der Union und die Propagierung der vollkommen gemischten, multikulturellen Gesellschaft sind hinderliche Extreme, die zur Polarisierung führen.

Ein Parteiverbot dauert Jahre. Es kann nicht bewirken, daß der einzelne Neonazi seine Aktionen einstellt, weil ein Gericht es untersagt. Es ist lachhaft zu glauben, daß das etwas nützt, und die Verfassungsschützer sagen das auch ganz klar. Anstatt über ein Verbot zu reden, sollte man sich darüber klar werden, wie eine demokratisch verfaßte Gesellschaft mit dem Phänomen an sich umgeht, wie man sich mit der politischen Meinung der Rechten auseinandersetzt, sie zuläßt, solange sie keine Straftaten hervorruft, um sie politisch zu besiegen. Nur dann nämlich, wenn wir bis zu einem gewissen Grad zuhören und dann widerlegen, gibt es die Möglichkeit der Überzeugung. Ein Verbot ist eine repressive Maßnahme, und ein solches Verbot hat die Nazis seinerzeit stark werden lassen. Mit politischen Schnellschüssen aus wahltaktischen oder populistischen Gründen ist uns nicht gedient, wir brauchen eine langfristige, gut angelegte Jugend-, Arbeitslosen und Ausländerpolitik.

© 2000, Jens Bertrams


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