BRUMMIS VOR DEM BRANDENBURGER TOR

IST DIE ABSCHAFFUNG DER ÖKO-STEUER WIRKLICH *DAS PROBATE MITTEL*?

25. September 2000

Heute haben tausende von Lastkraftwagen, Taxis und Traktoren eine Sternfahrt nach Berlin unternommen, um gegen die in den letzten Wochen heftig gestiegenen Benzin- und Dieselpreise zu demonstrieren. Dabei kam es zu einer beinahe Blockade der berliner Innenstadt und stundenlangen Lähmung des Stadtverkehrs. Diese Proteste waren angekündigt, und so konnten sich viele Berliner rechtzeitig auf das zu erwartende Aufkommen einstellen. Die berliner Verkehrsbetriebe senkten die Ticketpreise für Bus, S- und U-Bahn, um den Umstieg zu erleichtern. Angeblich, so die CDU, will ein überwiegender Anteil in der Bevölkerung die Abschaffung der 1999 eingeführten Öko-Steuer erreichen, die auch für eine finanzielle Mehrbelastung aller auf Kraftstoffverbrauch ausgerichteten Unternehmen sorgt. Doch hierbei müssen mehrere Punkte wohl überlegt werden:

  1. Wozu gibt es die Öko-Steuer?

    Wie der Name sagt wurde die Extrasteuer auf Kraftstoffe und Elektrizität deshalb erhoben, um langsam und berechenbar den Mehrverbrauch von Energieresourcen zu verteuern. Dies, so die Grundintention der rot-grünen Bundesregierung, sollte zum einen die Industrie animieren, energiesparendere Technologien zu entwickeln, zum anderen regenerative Energieformen wie Sonne, Wind und Wasser fördern und drittens das bisherige Mißverhältnis zwischen Arbeitskosten und Energiekosten regulieren. Arbeit soll billiger werden als Energieverbrauch. Die Einkünfte aus der Sondersteuer werden zum überwiegenden Teil in die Rentenkasse eingezahlt, um die Rentenbeitragssätze für Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu senken und langfristig niedrig zu halten, um die Schaffung neuer Arbeitsplätze zu begünstigen. Für das Benzin beträgt die jährliche Erhöhung des Preises durch die Öko-Steuer 6 Pfennige pro Liter. Hinzu kommen noch die übliche Mineralölsteuer, der Rohölpreis und die 16 Prozent umfassende Mehrwertsteuer, die auch mit dem Anstieg der Rohölpreise ansteigt, so daß man jährlich mit einer standarderhöhung von 7 Pfennig pro Liter Benzin rechnen muß. Diese Schritte sind wie erwähnt jährlich und daher vorhersehbar. Doch durch die in den letzten Wochen gestiegenen Rohölpreise wuchsen die Kraftstoffkosten in unerträgliche Höhen an, schneller als von den Schöpfern der Öko-Steuer beabsichtigt.

  2. Ist die Öko-Steuer die einzige Mehrbelastung für Unternehmer?

    Nein, das ist sie nicht. Hinzu kommen noch KFZ-Steuern, Gewerbesteuern und Arbeitslöhne, sowie der Konkurrenzdruck durch ausländische Unternehmen, beispielsweise aus Osteuropa. Daher muß bei einer politischen Abwägung der Lage bedacht werden, welche äußeren Einflüsse es abzufedern gibt. Dabei darf jedoch nicht die alteuropäische Krankheit der Subventionitis zu sehr aufkommen, wo Unternehmenszweige, die sich im freien Wettbewerb nicht halten können, von staatlichen Zuwendungen abhängig gehalten werden, auf Kosten der Steuerzahler. Diese wirtschaftliche Sackgasse wird in der EU schon seit vielen Jahren beschritten und immer wieder neu diskutiert.

  3. Sollten Steuern gesenkt werden, um die hohen Preise abzufedern?

    Da wäre jetzt die Frage zu stellen, welche Steuer mehr Erleichterung brächte. Die Öko-Steuer allein, deren Abschaffung die CDU mit der Beharrlichkeit einer kaputten Schallplatte immer wieder fordert, brächte sicherlich für Autofahrer und Fuhrunternehmer kurzfristige erleichterungen mit sich, doch dem Billigangebot aus anderen Ländern wäre damit kein Einhalt geboten. Auch die Rohölpreise, die unter anderem am Wechselkurs von Euro zum US-Dollar angekoppelt sind, würden nicht automatisch zurückgehen, nur weil ein europäisches Land eine vor kurzem erst eingeführte Steuer wieder abschafft. Zum beispiel wäre die Generalforderung der CDU nach Abschaffung der "unsinnigen Öko-Steuer" schon letzte Woche ad Absurdum geführt worden, als die Benzinpreise um weitere 4 bis 7 Pfennig pro Liter angehoben wurden. Außerdem sollte man das Konzept, Arbeit zu verbilligen und Energie langfristig und berechenbar zu verteuern, nicht einfach als "Unsinn" verwerfen, nur weil der Ölmarkt unvermittelt in Aufruhr geraten ist.

  4. Haben wir in Deutschland eigentlich den teuersten Kraftstoff?

    Nein, in anderen Ländern, wie den Niederlanden, Großbritannien und Italien sind die Kraftstoffpreise noch viel höher als bei uns. Zu beginn der Öko-Steuer-Diskussion kamen sogar Stimmen aus unseren Nachbarländern auf, die enttäuscht waren, daß der Liter Benzin "nur" um 6 Pfennig pro Jahr angehoben werden sollte. Aber in Deutschland gibt es eine weitverbreitete Verehrung für das Automobil, mehr noch als für Personalcomputer. Nur das Mobiltelefon schickt sich an, den Status des Autos zu erreichen, hat dies jedoch noch nicht ganz geschafft. Dieser Unterschied in der Mentalität zu anderen Ländern, wo Autos nur als Gebrauchsgeräte gesehen werden, bewirkt, daß bei einer Benzinpreiserhöhung von wenigen Pfennigen pro Liter schon heftig protestiert wird, während auf dem berühmten Münchner Oktoberfest jede Maß Bier mit 12,60 DM bezahlt wird, ohne sich zu beschweren.

Sicher, es gibt Leute, die brauchen ihr Auto und müssen daher ständig neuen Belastungen entgegensehen. Dagegen muß etwas unternommen werden, sofern dieses Auto beruflich genutzt wird. Hier wäre die KFZ-Steuer als mögliche Belastungsquelle zu nennen, die aufgehoben werden könnte, da sie unabhängig von der zurückgelegten Strecke erhoben wird. Es werden also auch die betroffen, die wenig mit dem Auto fahren. Für Berufstätige sollte eine Entfernungspauschale eingeführt werden, die unabhängig vom Verkehrsmittel ist. Ein entsprechender Vorschlag der Bundesregierung wurde von den CDU-Spitzenfunktionären bereits als "Flickschusterei" und "Offenbarungseid" abgetan.

Was die Steuersenkungen in Frankreich und Belgien angeht, die auf den massiven Druck von Fuhrunternehmern, Landwirten und Fischern zu Stande kam, soviel ist sicher, kam für alle europäischen Länder ungelegen, zumal führende Volkswirte davon abraten, den hohen Mineralölpreisen durch Steuersenkungen zu begegnen.

Zum Schluß muß noch mit einem Märchen aufgeräumt werden, daß die CDU-Führungspersonen gerne verbreiten: Schröder und sein Kabinett sind nicht so mächtig, daß sie durch Steuersenkungen im Mineralölsektor die Weltmarktpreise zum Sinken bringen können. Auch ist Schröder nicht so mächtig, den Wechselkurs zwischen Euro und Dollar zu steuern, nur weil er gesagt hat, daß der schwache Euro den Export beflügelt. Wäre Schröder so mächtig, überträfe er Schmidt und Kohl um Längen, die sich als Wegweiser der Europapolitik unauslöschlich in die Geschichtsbücher eingeschrieben haben. Hinzu kommt noch etwas:

Es wäre durchaus sinnvoll, die Einnahmen der Öko-Steuer tatsächlich nur für ökologische Innovationen zu verwenden, wenn die vorangegangene Bundesregierung im Zuge übersteigerter Wiedervereinigungskosten nicht an die Gelder der Rentenkasse gegangen wäre, so daß die Rentenversicherungen ein Defizit beklagen müssen und nun durch die Öko-Steuer subventioniert werden müssen. Auch muß mit den vielen Sonderregelungen aufgeräumt werden, daß viele Industrieunternehmen keine Öko-Steuer bezahlen müssen, obwohl sie nachweislich die meiste Energie verbrauchen. Dies wurde wohl deshalb zugelassen, weil befürchtet wurde, daß dadurch noch mehr Arbeitsplätze abgebaut würden. Doch auf lange Sicht wird die Öko-Steuer nur eine breite Zustimmung finden, wenn wirklich jeder sie zahlen muß, der nicht nachweislich alternative Energien nutzt. Auch sollten die Einnahmen der Öko-Steuer darauf verwandt werden, den öffentlichen Personennahverkehr und den Schienenfernverkehr zu beflügeln, durch Ausbau der Schienennetze und Bau zusätzlicher Wagons, bei stabil niedrigen Fahrpreisen.

Die Öko-Steuer, so meine unmaßgebliche Meinung, gehört also nicht abgeschafft, sondern nur besser verwendet. Vielleicht sollte man die Abschaffung oder mindestens Einschränkung der auf Mineralöl erhobenen Mehrwertsteuer erwägen, Heizöl beispielsweise zum Grundbedarfsgut erklären. Daraus ist zu ersehen, daß ich den Parolen der CDU nicht zustimme, zumal ich mit Bedauern zur Kenntnis nehmen muß, daß die meisten Führungspersönlichkeiten wohl immer noch unter den Auswirkungen eines Phänomens leiden, daß ich mal als politische Transpositionsamnesie bezeichnen möchte, einem Gedächtnisverlust auf Grund des Schocks des Machtverlustes und Wechsels in ein anderes politisches Lager. Denn die vehement gegen die national eingeführte Öko-Steuer argumentierende CDU-Vorsitzende selbst hat in ihrer Eigenschaft als Bundesumweltministerin geäußert, daß es nicht hinnehmbar sei, daß Arbeit teurer als Energie sei. Sie versuchte sich zwar auf eine europäisch zu vereinbarende Energiesteuer herauszureden, von der sie damals schon wußte, daß sie so nicht kommen konnte, doch offenbar hat sie vergessen, was sie damals gesagt hat, wie soviele andere Parteikollegen auch. Sicher, dieses Phänomen des Machtwecsel bedingten Gedächtnisausfalls kann auch bei Abgeordneten der SPD und den Grünen beobachttet werden, weil diese nicht mehr alles beherzigen, was sie vor den letzten Wahlen beschlossen und gefordert hatten. Doch bei der CDU fällt diese Amnesie doch im Moment stärker auf, so leid mir das tut. Denn ich finde, daß eine Oppositionspartei konstruktiv kritisieren sollte und nicht einem zeitgenössischen Stammtischpopulismus folgen solle.

© 2000 by Thorsten Oberbossel(

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