Das Millennium

30. Dezember 1999

Ich glaube, dass es selten ein Wort in der Geschichte der Vergabe solcher Auszeichnungen geschafft hat, gleichzeitig das populaerste und das unpopulaerste Wort eines Jahres zu sein. Das Wort "Millennium" haette eine solche Auszeichnung allerdings fraglos verdient. Zum einen ist es ein riesiger Werbetraeger, zum anderen aber kann es keiner mehr hoeren.

Wenn in der Silvesternacht die groessten aller Sektkorken knallen, die lautesten aller Feste gefeiert werden, die groebsten Brandverletzungen seit Menschengedenken in den Krankenhaeusern behandelt werden muessen und noch eine Menge anderer Superlative ins Buch der Rekorde eingehen, dann beginnt das Jahr 2000. Dabei macht man einen Wirbel um nichts. Klar: es sind drei Nullen vorhanden in der Jahreszahl, und das kommt nun einmal nur alle tausend Jahre vor. Aber das ist nicht der Beginn des neuen Jahrtausends *). Vielleicht faellt das den Werbestrategen naechstes Jahr auch auf, und dann wird die naechste Silvesterfeier noch gewaltiger, noch groesser und noch katastrophaler, was die Brandverletzungen angeht. Denn das neue Jahrtausend beginnt erst am Ende des zweitausendsten Jahres unserer Zeitrechnung, mit dem ersten Tag des Jahres 2001 also.

Trotzdem gibt es - wie immer bei solchen vermeintlichen Festtagen - eine von den Medien geschuerte Millenniumseuphorie. "Guten Start ins neue Millennium" hoere ich sogar von Leuten, die es ganz sicher besser wissen. Die Werbung und die Esoterik stellen sich blitzschnell auf das Ereignis ein. Im Sommer noch hiess es, dass mit der Sonnenfinsternis das Wassermannzeitalter begonnen habe, nunmehr verweisen alle Astrogeschaedigten auf den 5. Mai 2000, weil dort Mars, Venus und Erde, pardon, Venus, Erde und Mars, in gerader Linie hintereinander stehen. Sorry, aber wenn der 5. Mai fuer mich eine besondere Bedeutung hat, dann als europaeischer Protesttag der Behindertenbewegung. Damit will ich natuerlich niemanden verletzen oder beleidigen. Es ist lediglich der Rummel, der um die angebliche Jahrtausendwende gemacht wird, der mir sauer aufstoesst. Es sollten auch die drei Nullen genuegen, eine riesige Silvesterparty zu feiern, und vielleicht begeht man ja auch den Einstieg ins letzte Jahr des Jahrtausends.

Nur ein Problem scheint zu bleiben, auch das kann inzwischen keiner mehr hoeren, das Jahr-2000-Problem der Computerwelt. Es bricht vielleicht nicht gerade eine Hysterie aus, aber es gibt schon eine grosse Anzahl Menschen, die Vorsichtsmassnahmen treffen, ganz so, wie die Bundesregierung und der Krisenstab des Bundes es empfehlen. Da werden Badewannen mit Wasser gefuellt werden, Kerzen und Oellampen werden im Haus bereitstehen, Lebensmittelrationen stehen zur Verfuegung, und manche moegen sich eine neue Gasheizung mit Propangas besorgt haben.

Leute, lasst es euch gesagt sein: Fuer die heimischen PCs wird es keine Schwierigkeiten geben. Solltet ihr wie ich eine alte Klapperkiste mit MS- DOS fahren, findet ihr hier ein Update und einen guten Zusatz zu eurem Betriebssystem, der - korrekt installiert - das Problem beseitigt. Alle anderen werden wohl oder uebel die Datumsanzeige vom 04.01.1980 auf den 01.01.2000 umstellen muessen. Na und? Und die Behoerden haben schon seit Monaten Tests zum Jahr-2000-Problem durchgefuehrt. Die einzige Gefahr in der Silvesternacht geht meiner Ansicht nach von ein paar boesartigen Viren aus, die gemeine Mitmenschen in die Computernetze schleusen werden, aber auch dagegen kann man sich ja wappnen.

So, nun kann es also losgehen, das groesste Silvesterfeuerwerk dieses Jahrtausends. Hoffen wir, dass mit der Zeitenwende auch Liebe, Frieden, Toleranz und all diese netten Dinge bei uns einziehen werden. Hoffen kann man ja mal, oder?

Euch allen ein wundervolles Millennium!!


 


*)Hierzu noch eine Randbemerkung von Eckart Fuchs:
Die Astronomen rechnen aus Bequemlichkeit schon seit langem mit einem von ihnen eingeführten Jahr 0 (vor der landläufigen Zeitenwende). Rein astronomisch - fast hätte ich gesagt: galaktisch - betrachtet, beginnt also das Millennium tatsächlich genau jetzt. So hat, wenn man sich entsprechende Gedanken macht, im Grunde jeder mit seinem Zeitpunkt recht. Für religionsverbundene Leute aus Nah- und Fernost und aus "Naturvölkern" gilt freilich wieder etwas ganz anderes.



© 1999, Jens Bertrams und Eckart Fuchs

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