Dabei hätten die Österreicher es besser wissen müssen und können. Schon vor 15 Jahren manipulierten sie sich in die Isolation, als Kurt Waldheim, ehemals Offizier unter den Nazis, zum Bundespräsidenten gewählt wurde. Jetzt aber ist die Lage noch weitaus verzwickter, denn die europäischen Regierungen machen wahr, was sie versprachen, sie frieren die Beziehungen zu Österreich ein. Ob das etwas bringt, darf bezweifelt werden. Zum einen wird innerhalb der EU weiter zusammengearbeitet werden, was sich gar nicht verhindern lassen wird, wenn man die Gemeinschaft mit ihren Aufgaben lebendig erhalten möchte, und zum anderen besitzt Europa als ganzes keine genügenden politischen Kompetenzen, um wirksam eingreifen zu können. Außerdem ist die Regierungsbeteiligung der Rechten auf demokratisch legitimem Wege zustandegekommen, was ein Eingreifen von außen eigentlich verbietet. Doch wohin diese legalistische Denkweise führen kann, sah man, als Adolf Hitler legal zur Macht gelangte.
Wie man mit der Situation in Österreich umgehen soll, ist mir ehrlich gesagt noch nicht ganz klar. Ich denke, man sollte schon zeigen, daß man mit der Beteiligung der FPÖ nicht einverstanden ist. Wirklich eingreifen, auch politisch, dürfte man aber erst können, wenn konkrete Verstöße gegen gesetzliche Bestimmungen oder internationales Recht vorliegen. Und ob selbst ein Wolfgang Schüssel eine solche Entwicklung dulden würde, hoffe ich doch bezweifeln zu dürfen.
Die Entwicklung bleibt abzuwarten, so viel steht fest. Aber eines sollte bedacht werden. Je mehr von außen Druck auf Österreich ausgeübt wird, desto mehr könnten sich dessen Bürger bevormundet fühlen, und desto mehr werden sie sich gegen Europa und für Heiders Populisten entscheiden. Ein modernes und demokratisches System müßte die vorübergehende Regierungsbeteiligung einer rechten Partei vertragen können, wenn dieses System stabil ist und auf festen gesellschaftlichen Grundsätzen basiert. Daß dies in Österreich bei allen Fehltritten der letzten Jahrzehnte aber der Fall ist, sollte man vorerst nicht bezweifeln.
Trotzdem, die Sorge wächst, daß in der Mitte Europas wieder der Keim des Nationalismus aufblüht, die Geißel der modernen Menschheit, die mehr denn je darauf angewiesen ist, kooperativ und gemeinschaftlich zu handeln.
© 2000, Jens Bertrams