Wenn ich am Sonntagmittag gegen ein Uhr von der Sendung "Frequenzfieber" nach hause komme, bin ich müde. In den Wochen seit meinem Einstieg bei Frequenzfieber hat sich das als verläßlich herauskristallisiert. Dabei bin ich lediglich Moderator, Mitmoderator sogar nur, und ich habe mit der Technik nichts zu tun. Trotzdem strengt eine Sendung an, aber während der Moderation merkt man das eigentlich nicht.
Die Vorbereitungen zur Sendung beginnen für mich irgendwann mitwochs oder donnerstags. Ich suche die top 20 der deutschen Charts von vor zwanzig Jahren raus, ein Bestandteil der Sendung. Ich schreibe auf, welches Lied von damals ich vorstellen möchte. Diese Liste schicke ihch dann an Metin Gemril, damit er das entsprechende Lied bei den Neuvorschlägen einplanen kann.
Freitags erhalten wir die Hörspieltipps für die kommende Woche. Ich mache es mir zur Aufgabe, sie zu kürzen und redaktionell zu bearbeiten.
Samstagsmittags treffe ich mich in der Regel mit Metin Gemril, dem Hauptmoderator von Frequenzfieber, der die für die Sendung gesammelten Daten ausdruckt in Punktschrift, damit wir sie während der Sendung verlesen können. Dazu gehören vor allem die Hörspieltipps und die top 20, aber auch der Nachrichtenticker, den unser Nachrichtenmann, Stefan Müller inzwischen zusammengestellt hat. Wenn die Nachrichten ausgedruckt sind, verschwindet Stefan damit nach Hause und produziert die Nachrichten vor, liest sie auf einem DAD-Recorder ein, versieht sie mit dem Jingle für die Nachrichten und steckt sie für die Sendung ein. Ich lese mir die Hörspieltips gut durch, oft und noch öfter, damit ich sie flüssig lesen kann während der Sendung.
Ich glaube, während Stefan und ich in der Samstagnacht seelig schlafen, stellt Metin die Hitparade zusammen, die jede Woche von den Hörern ermitelt wird. Er schneidet die Schnelldurchläufe für die Vorschläge und sucht Sketche aus, unterlegt den Text des von einem unserer Redaktionsmitglieder übersetzten Popsongs mit einem Instrumental dieses Songs und sucht die Lieder zusammen, erstellt manchmal für besondere Anlässe Jingles, wie zu unserer Sendung zur Bundestagswahl am 22. September 2002. Das nimmt manchmal die ganze Nacht in Anspruch.
Ich bin morgens meistens schon um sechs Uhr wach, setze mich an meinen Computer und arbeite ein wenig für die beiden Vereine, in denen ich bin, oder ich bastle an meiner eigenen Homepage. Auch dieser Text wird wenige Stunden vor einer Frequenzfieber-Sendung geschrieben. Ich bin dann immer hellwach, aber ich bin nicht nervös, sondern in freudiger Erwartung. Für mich ist jede Sendung etwas besonderes, etwas einzigartiges. Es ist ein tolles Gefühl, mir vorzustellen, daß gerade im Sommer Leute, vielleicht Freunde von mir, auf dem Balkon oder im Wohnzimmer sitzen, frühstücken und dabei Frequenzfieber hören, über einen Scherz mitlachen oder interessiert einem Beitrag zuhören, oder die Musik hochdrehen, wenn ein tolles Stück kommt. Das beflügelt mich, das spornt mich an.
Gegen halb neun packe ich meine Sachen zusammen, die Hörspieltipps, die Top 20 und alle weiteren Papiere, die ich so brauche. Zu bestimmten Liedern fallen mir so nach und nach Gags und Kommentare ein. Manchmal, wie auch heute beispielsweise, muß ich im Musiklexikon etwas über die Gruppe oder Person nachschlagen, die ich aus den Top 20 von vor zwanzig Jahren vorstellen will. Um zwanzig minuten vor Neun gehe ich aus dem Haus, nehme einen Bus, der mich zum marburger Bahnhof bringt, wo wir uns gegen viertel nach neun treffen. Metin Gemril, Christian Ohrens, der auch oft dabei ist, und ich gehen in Richtung Studio, wo Stefan Müller, der neben dem Sender wohnt, zu uns stößt. Es ist ein normales Haus, riecht am Eingang wie eine Baustelle und wird drinnen plötzlich sehr modern mit einem Sicherheitsschloß an der Tür zum Sender. Eine Treppe hinauf gehen wir und sind praktisch im Studio, wo das Endlosband dudelt, das die Nacht über gelaufen ist. Wir rücken unsere Stühle zurecht, Christian und Stefan in der Sprecherkabine, Metin und ich im Freisprechraum. Wir legen die Teilchen und Croissants, die Metin jeden Sonntag kauft, auf den Tisch, und dann beginnt Metin, die Kopfhörer und Mikrofone zu richten, die Videobänder, mit denen jede Sendung aufgezeichnet werden muß, vorzubereiten, das Intro, das erste Lied und das erste Jingle einzulegen, die Lautstärke in allen Kopfhörern zu regeln und vieles mehr, was ich gar nicht so genau mitkriege. Immer hat er die Uhr im blick bzw. im Ohr. Über den Sender geht noch, was Radio Unerhört Marburg für Internationalismus hält, die wütendsten Schmähparolen auf Deutschland, die deutsche oder europäische Mentalität, den amerikanischen Imperialismus. Im Studio läuft bereits Musik von uns, die später während der Sendung gespielt und jetzt vorbereitet wird.
Damit wir uns nicht falsch verstehen, ich habe nichts gegen das Anprangern der deutschen Intoleranz und des amerikanischen Imperialismus. Die Art aber, mit der das getan wird, ist oft platt, einfallslos und ebenso großmannssüchtig.
Um Zwei oder eine Minute vor Zehn nimmt jeder seinen Platz ein, Metin schaut auf die Uhr, sorgt dafür, daß die Sendung pünktlich beginnt.
Das Gefühl ist toll, wenn es denn endlich losgeht. Das ist schwer zu beschreiben, und ich will es denn hier auch gar nicht versuchen. Es ist einfach schön, für uns und andere Menschen diese Sendung zu machen, sie zu wecken, zu ermuntern und ihnen Unterhaltung und Information zu bescheren. Die Leute von Frequenzfieber sind mit unterschiedlicher Rundfunkerfahrung, aber auch mit unterschiedlichen Ansprüchen an eine solche Sendung gesegnet, und das gibt eine herrliche Mischung. Da ist Stefan, der eher ein seriöser Nachrichtenmann ist und auch schon in HR2 am Campusradio mitgearbeitet hat. Da ist Metin, der eigentlich die reine Unterhaltungsschiene fährt, sich aber gern auf die Bedürfnisse der Leute und der Redaktion einigermaßen einläßt. Da ist Christian, der ebenfalls bei Unerhört eine Sendung hat, ein elektronisches Musikmagazin namens E-Werk, und der immer mal wieder auch klamauk und Comedy macht. Jürgen, der den Popsong übersetzt, und Thorsten, der für unsere Internetseite zuständig ist, haben nach meiner Kenntnis keine Radioerfahrung, und da bin ich selbst, der die mittlere Schiene fährt zwischen Unterhaltung und Information, der Frequenzfieber so mag, wie es ist, der es gern flexibel hält, mal mehr Wortbeiträge, mal mehr Musik, aber immer für Information bereit. Diese Mischung ist es, die Frequenzfieber zu etwas besonderem macht, denn wir alle arbeiten an dieser Sendung mit.
Die Sendung selbst, die früher recht planlos gemacht wurde, wie es gerade kam, hat inzwischen ein festes Gerüst. Der erste Titel ist ein Oldie, dann kommt der Opener mit der Aufstellung dessen, was es in der Sendung alles geben wird. Dann fangen wir musikalisch schon mit den Neuvorschlägen für die Hörerhitparade an, und zwischendurch gibt es in mindestens zwei Blöcken die Hörspieltipps, es gibt die Hörfilmtips, es gibt die Vorschau auf den Nachrichtenticker. Auch die Top 20 von vor 20 Jahren gibt es in der ersten Stunde, und meistens einen Sketch. Während die Lieder laufen, während die Sketche erklingen und die Hörspiel- und Hörfilmtipps vorgelesen werden, bastelt Metin schon am nächsten Lied, am nächsten Jingle. Manchmal ist das ganz schön anstrengend, während des Lesens der Hörspieltipps, das hauptsächlich mir und eventuellen Gästen zufällt, die Vorbereitungen von Metin im Ohr zu haben, ohne selbst genau zu hören, wie man über den Sender komt. Aber inzwischen haben wir dafür wohl eine Lösung gefunden, der Kopfhörer von mir wird in den aufnehmenden DAD-Recorder gesteckt, der aufnimmt, was auf den Sender geht.
Die erste Stunde ist für mich die Hauptarbeit. Ich muß mich immer wieder in die Hörspieltipps einlesen, muß die Top 20 einigermaßen können, erzähle was über den Neuvorschlag aus der alten Hitparade. Ab 11 Uhr bin ich einfach nur noch Mitmoderator, habe keine Papiere mehr vor mir liegen und kann es mir sogar leisten, einen Croissant zu essen. Der Nachrichtenticker leutet die zweite Stunde ein. Direkt danach gibt es den übersetzten Popsong, und dann beginnt die Hörer-Top5. Zwischen den Liedern der Hörerhitparade ist dann immer genug platz für andere Beiträge. Hier können Interviews eingespielt, Leute angerufen werden, die gerade eine interessante Reise machen, Geburtstagsglückwünsche ausgesprochen werden. Oft ist genug Zeit, einen weiteren Titel nach der Hörerhitparade zu spielen. Zwischendrin nehmen wir unser frühstück ein, einfach während der Lieder. Diese zweite Stunde ist immer recht entspannend, und nur bei besonderen Beiträgen muß ich besonders aufmerksam sein. Ich sitze da, moderiere und genieße die Sendung.
Um kurz vor Zwölf, wenn die Leute vom Kinderradio, das unserer Sendung folgt, hereinkommen, wissen wir, daß langsam schluß ist. Meistens sind wir zu viert oder fünft im Studio, wir verabschieden uns, und gegen drei oder vier nach zwölf verlassen wir den Sender. Dann erst, wenn alles vorbei ist, fällt sozusagen die fröhliche Anspannung von mir ab, und ich merke, wie ich langsam müder und müder werde. Etwa eine halbe Stunde später bin ich zu Hause. Dann möchte ich entweder am liebsten die Sendung noch einmal hören, um die Dinge mitzubekommen, die man während der laufenden Sendung einfach nicht mitbekommt, die Lieder, aber auch, wie die Moderation rüber kommt, oder ich möchte schlafen. Da ich meistens noch keine Aufnahme von der Sendung habe, schlafe ich einfach eine Stunde.
Mittwochs um zwölf läuft in der Regel eine Wiederholung der Sendung. Oft höre ich sie mir an, denn da kann ich nachholen, was ich sonntags mangels Aufnahme versäumte. Ich weiß dann endlich, wie sich die Sendung anhört. Das Hören dieser Sendung bildet bei mir meistens den Auftakt der Arbeit für die nächste Sendung. "... Ich suche die top 20 der deutschen Charts von vor zwanzig Jahren raus, ein Bestandteil der Sendung. Ich schreibe auf, welches Lied von damals ich vorstellen möchte. Diese Liste schicke ich dann an Metin Gemril, damit er das entsprechende Lied bei den Neuvorschlägen einplanen kann. ..."
© 2002, Jens Bertrams